Ich will euch garnicht schwulreden…

Liebe Hetero-Männer,

es wird ja allmählich Frühling und wie jedes Jahr ist dieses eigenartige Flirren in der Luft. Die Hormone funken, wie ein Haufen unsichtbarer Kolibris, die Glitzerpuder pupsen. Auf einmal gibt’s wieder Farben, Bewegung, Leben auf den Straßen und die vier bis fünf Schichten dicke Kleidung sind von der Körpern der Mitmenschen verschwunden. Bei wem regt sich da nicht das Bedürfnis, einfach mitzumachen, bei der saisonal verordneten Crazyness, zu necken, flirten, streicheln, kitzeln und knuddeln was das Zeug hält?

Picture: Charles Roffey via flickr, CC 2.0 (Non-Com)

Picture: Charles Roffey via flickr, CC 2.0 (Non-Com)

Ob im Park, im Stadion oder Nachts unterwegs mit dem Bier in der Hand, seid ihr, liebe Heteromänner, auf der Suche nach Zärtlichkeit und liebe, wie sie nur einer geben kann: der andere Mann.

Liebe Heteromänner, gleich mal vorweg, ich will euch garnicht schwulreden. Aber ihr habt ihn doch alle, den Kumpel, den Bro, den Buddy, den ihr einfach zum Fressen gern habt. Ihr liebt es, euch gegenseitig zu provozieren und dissen, nur um euch dann doch wieder unbeholfen-krampfig in die Arme zu nehmen und ihm mit der Faust spielerisch auf die Schulter zu stupsen.

Nur mit ihm habt ihr ab und zu die Möglichkeit auszubrechen: aus diesem schrecklichen Gefängnis der Unnahbarkeit, das ihr euch aufgebaut habt. Durch eure raumeinnehmende Körperpräsenz, eure ausladende Breitbeinigkeit und die Angst, jede kleine Berührung unter dem Schlüsselbein könnte euch schwul machen. Er ist euer Sonnenstrahl durch die Fenstergitter. Er ist für euch da. Klar kennt er eure Schwächen und könnte dieses Wissen schamlos ausnutzen, aber er tut es nicht. Ihr könnt ihm vertrauen. Er lässt euch im Notfall bei sich pennen, würde euch zinslos Geld leihen oder das letzte Hemd. Ihr seid euch nah. Und die sanfte Berührung mit den Knöcheln am Wangenknochen, wenn ihr „prügeln“ spielt, besiegelt diese Nähe.

Vielleicht seid ihr manchmal auch neidisch aufeinander, weil er die größeren Muskeln hat, mehr Dates, oder weil er einfach alle im Raum in seinen Bann ziehen kann. Aber tief drinnen wisst ihr: Wenn euch einer überbieten darf, dann lieber er als sonstwer.

Ich will euch nicht schwulreden. Aber ihr freut euch auf die wenigen Orte, wo ihr auch mal richtig knuddeln könnt. Weil die Mannschaft gewonnen hat, weil Karneval ist, oder weil ihr einfach sehr sehr betrunken seid. Dann könntet ihr mit ihm im Arm stundenlang lauter gröhlen als alles auf der Welt.

Natürlich wisst ihr letztlich nicht, was in ihm vorgeht. Gefühle thematisieren ist tabu. Und wenn da eine Träne in seinem Augenwinkel kauert, dürft ihr sie nicht wegwischen. Es ist eure Pflicht, so zu tun, als hätte es sie nie gegeben. Dafür seid ihr Freunde. Alles andere wäre ein Verrat an einer fragilen Balance aus Nähe und Distanz, die nicht kippen darf – weil auf der einen Seite die Schwäche lauert, und auf der anderen die Einsamkeit.

Liebe Heteromänner, ich will euch nicht schwulreden. Nichts von alledem macht euch schwul. Auch kein sanftes über-den-Kopf-Streichen, keine lange Umarmung, nicht wenn ihr euch auf seiner Schulter ausruht. Ihr könnt bleiben, wer ihr seid, und das trotzdem alles mal ausprobieren. Ist garnicht so schlimm.

Schönen Frühlingsanfang!